Auszug aus "Moderne Glaubenssysteme
in Gesellschaften mit kultureller Vielfalt"
4. Kapitel: Das Transprogramming

Vorläufer  des TP
und Beiträge von anderen Therapiesystemen
Generelle Erfahrungen aus der Beratungspraxis zum Umgehen mit der Thematik können den Veröffentlichungen der Deutschen Gesellschaft für Verhaltenstherapie DGVT  entnommen werden, wo z.B. auf den Zusammenhang von Sektenkonditionierung und Lernsystemen (VT allgemein) oder auf die Probleme der Immigrantenbetreuung verwiesen wird (Mecheril).

Verhaltenstherapie
Das Transprogramming leitet sich von der Verhaltenstherapie her. Grundsätzlich sind wir der Meinung, daß der im Sektenzusammenhang oft geäußerte Topos von der "Gehirnwäsche", welche eine Person gewissermaßen "seelisch umkrempelt" unsinnig ist. Vielmehr ist ein sektentypisches Verhalten angelernt und kann auch wieder "verlernt" werden, indem etwa neue Lernerfahrungen an Stelle der Sekteninhalte treten.

Steven Hassan
Steven Hassan, der bekannte US- Experte auf diesem Gebiet,  hat eine eigenes System der Dekonditionierung von Sektenopfern entwickelt. (Deprogramming)  Er weist darauf hin, daß

Das Konzept des Wegweiser- Projektes
Nach unserer Auffassung und Erfahrung sind Sektenideologien Lernprogramme, welche im Sinne einer (oft operanten) Konditionierung beigebracht wurden. Sie funktionieren daher am besten im engen Sektenkreis möglichst ohne persönlichen Kontakt zur Außenwelt.. Sowie das Mitglied einer solchen Gruppe z.B. sich wieder allein durchschlagen muß, nimmt die ideologische innere Spannung meist ab.
Demgemäß können Sektenprogramme mit verhaltenstherapeutischen Methoden wieder "weggelernt", d.h.realitätsbezogene und für das Individuum bekömmlichere Verhaltensweisen wieder eingeübt werden.  Dieser Aspekt ist auch beim bisher üblichen "Deprogramming" richtig. Falsch ist jedoch, den Vorzustand wiederherstellen zu wollen. Denn der Aufenthalt in einer Sekte bedeutet auch eine große Menge von Erfahrungen, welche verarbeitet und in das neue Leben integriert werden müssen. Darin setzt sich das Transprogramming stark vom Deprogramming ab.

Johanna Wagner
Johanna Wagner, erste weiße „Manga“ (Medizinfrau) behandelte Klienten in Afrika, die an den psychischen und psychosomatischen Folgen ihres Glaubenswechsels litten. Afrika ist ein Kontinent, in welchem intensiv Mission betrieben wird. Moslems und Christen bemühen sich gleichermaßen, dort Anhänger für ihren Glauben zu gewinnen. Bei den Neubekehrten, gleich welcher Richtung,  zeigen sich oft psychosomatische Symptome  vor allem in Form  hartnäckiger Magen-Darm-Erkrankungen.
Frau Wagner fand heraus, daß die Ursache für die Erkrankungen faktisch immer das Übertreten von Speisetabus war, welche in der früheren Stammesreligion des Bekehrten eine große Rolle spielten.
Sie entwickelte eine Technik, ähnlich der hierzulande bekannten Aktiven Imagination,  mit der sie ihre Klienten dazu brachte, die Vorschriften der Stammes- Totems und die Gebote der neuen Religion nebeneinander zu achten. Das Ergebnis war, daß die Klienten nicht nur gesund wurden, sondern auch ein neuesVerständnis für den Stellenwert von Religion, Mythen usw. für ihr Leben entwickelten. .
Diese Vorgehensweise von Frau Wagner nennen wir eine akkulturierende Methode, weil sie zur Kultur der einen Seite das Lebensverständnis der anderen hinzufügt. Akkulturierende Methoden und Zielsetzungen sind typisch für das Transprogramming.

Weiter haben wir etliche von Johanna Wagners Anregungen zu eigenen Techniken ausgearbeitet, z.B. zu einem Akzeptanztraining, welches Berater für sich absolvieren können, bzw. für Familienangehörige von Sektenopfern.  Genaueres bei der Website über Johanna Wagner

Pierre Janet
Pierre Janet (1859 - 1947) hielt in Paris Vorlesungen über Psychologie. Die führenden Persönlichkeiten der frühen Psychotherapieforschung, Freud, Jung und Adler erhielten aus Janets Werken wesentliche Anstöße zur Entwicklung ihrer eigenen Lehren. Vor allem ist sein Gedankengut in die Analytische Psychologie C.G. Jungs eingeflossen. Janet war seit dem Jahre 1885 durch eine Reihe überraschender Heilerfolge bekannt geworden. Er hatte eine einfache, aber gut verständliche Theorie über Geisteskrankheiten entwickelt.  Genauere Infos zu P.Janet 
Ihm zufolge ist die Grundursache der seelischen Störung das „abaissement du niveau mental“. Damit meinte er die Abschwächung der Bewußtseinsschwelle. Wie später Jung und Bleuler, bemerkte Janet, daß psychische Erkrankungen mit einem Verlust an Konzentration einher gehen. Die Aufmerksamkeit für Vorgänge im Außen erlischt, die Zerstreutheit nimmt zu. Ein weiterer Indikator ist häufig ein gestörtes Zeitgefühl.
Seelische Gesundheit war für ihn eine Sache der „psychologischen Spannung“. Sinkt diese psychologische Spannung, z.B. durch Krankheit, Unterforderung oder Langeweile ab, beginnt das "abaissement du niveau mental“ zu wirken: Das betroffene Individuum wird anfällig für Ängste, neurotische Gedanken und Zwänge, welche ihr in gesünderem Zustand absurd vorkämen. Ähnliches erleben wir während persönlicher Lebenskrisen oder auch in kleinerem Maßstab allnächtlich im Schlaf.
Normalerweise tritt dieser Ablauf immer dann ein, wenn ein Mensch mit einer Aufgabe konfrontiert wird, welche ihm über seine Kräfte zu gehen scheint oder wenn ihm diese Anforderung öde und langweilig vorkommt. Dann kommt es zu einem Verlust psychischer Energie, welche sich als Mutlosigkeit, als Erschöpfung oder als innere Kündigung manifestieren kann. Dieser Balance - Akt zwischen Über- und Unterforderung wird in der Forschung Cziksentmihaliys unter dem Stichwort "FLOW"- Kanal beschrieben, womit wir beim nächsten bekannten Namen wären:

M. Cziksentmihaliy
Der als "Glücksforscher" bekannte Cziksentmihaliy hat mit seiner Entdeckung des "Flow"- Zustandes ein neues Verständnis von Kreativität bewirkt und einen wichtigen Beitrag zur Arbeits- und Freizeitforschung geleistet. Cziksentmihaliy bleibt aber nicht bei einem psychologischen Modell stehen, sondern baut seine Entdeckung in ein neues Zukunftskonzept von Leben und Arbeiten ein. Genaueres dazu erfahren Sie in dem Artikel Transprogramming und "FLOW"

Weitere Beiträge und Anregungen zum TP kommen aus den Konzepten der NLP und anderer Kurzzeittherapiesysteme, vor allem aus dem Ansatz Steve de Shazers. Dazu wird noch ein ausführlicherer Bericht ins Web gestellt. (in Vorbereitung)

Über Pierre Janet und Johanna Wagner wurde bereits ausführlicher in zwei gesonderten Beiträgen berichtet.


zum Anfang dieser Seite

zurück zur Startseite

Copyright beim Projekt Wegweiser, W.Dörge-Heller, Th.Hillecke, Karlsruhe 1997